Wettbretter — mehr als nur Holzlatten

Was sind Wett­bret­ter? Na, da schla­gen wir doch ein­fach bei Wiki­pe­dia nach. Denks­te! Die Suche nach „Wett­brett“ führt in der Wis­sens­da­ten­bank zu gera­de mal zwei Fund­stel­len¹, in denen der Begriff zwar vor­kommt, aber nicht erklärt wird. Einen sepa­ra­ten Bei­trag zum The­ma gibt es nicht. Das macht’s kom­pli­ziert — denn wir müs­sen sel­ber hin­schau­en, den­ken, erken­nen, anstatt Vor­ge­kau­tes zu kon­su­mie­ren. Ver­su­chen wir’s mal.

Eine ein­fa­che Erklä­rung haben wir ja bereits grund­sätz­lich ver­sucht: Ein Wett­brett ist ein kei­li­ges Brett, zir­ka 80 cm lang (±20 cm) und hat Nut und Feder. Es wird als äus­se­re Gebäu­de­ver­klei­dung genutzt und dient als Schutz. Was ist dar­an kom­pli­ziert? Ist doch alles klar, oder?

Nun, ich will an die­ser Stel­le ein paar Gedan­ken Raum geben und Fra­gen auf­wer­fen, die zei­gen wer­den, dass Wett­bret­ter mehr sind als ein paar Holz­lat­ten an der Wand.

Gespalten oder gesägt?

Heu­te wer­den Wett­bret­ter wohl aus­schliess­lich gesägt. Manch­mal kann man die Aus­sa­ge fin­den, dass sie frü­her gespal­ten wur­den. Gibt oder gab es bei der Her­stel­lung von Wett­bret­tern tat­säch­lich ver­schie­de­ne Mehoden?

Wur­den Wett­bret­ter frü­her gespal­ten? Die Säge­spu­ren die­ser ver­mut­lich aus­ge­tausch­ten Bret­ter sind gut erkennbar.

Das mit dem Sägen ist ein­deu­tig: Die Säge­spu­ren sind auch an alten Wett­bret­tern manch­mal gut erkenn­bar. Alle neu­en Wett­bret­ter, die ich bis­her gekauft habe, waren gesägt. Aber gespal­ten? Kann man Bret­ter mit einer Län­ge von einem Meter spal­ten? Bis heu­te habe ich weder Werk­zeu­ge gese­hen oder eine Beschrei­bung der Metho­de gefun­den. Ein Betrieb, der gespal­te­ne Wett­bret­ter her­stellt, ist mir nicht bekannt.

Was bei kur­zen Rund­schin­deln (die es in vie­ler­lei Aus­füh­run­gen gibt, also nicht nur rund son­dern auch eckig und fast orna­men­tal anmu­tend) leicht nach­voll­zieh­bar ist, kann das auf die lan­gen Wett­bret­ter über­tra­gen wer­den? Die Rund­schin­deln wur­den frü­her in der dunk­len Jah­res­zeit in vie­len Haus­hal­ten in Heim­ar­beit her­ge­stellt. Das Vor­ge­hen war ein­fach: Der Muti­ge hielt den Spalt­keil auf das zurecht­ge­säg­te Holz­stück, der wenig Zau­dern­de schlug mit dem Ham­mer auf den Keil — fer­tig war die gespal­te­ne Rund­schin­del. Auch heu­te noch wird das manch­mal prak­ti­ziert. Wie häu­fig es dabei zu Ver­let­zun­gen kam, ist unbekannt.

Ein sol­ches Ver­fah­ren ist für Wett­bret­ter kaum vor­stell­bar. Wenn tat­säch­lich gespal­ten wur­de, dann muss das mit „gros­sem Besteck“ erfolgt sein.Schaut man sich die Ergeb­nis­se der heu­te gän­gi­gen Spalt­ma­schi­nen an, dann ist es kaum vor­stell­bar, dass man frü­her die Werk­zeu­ge hat­te, um tat­säch­lich kei­li­ge Bret­ter mit­tels einer Spalt­me­tho­de herzustellen.

Dazu kommt, dass bis­her alle älte­ren Men­schen, die etwas zu dem The­ma wuss­ten, Wett­bret­ter immer in Ver­bin­dung brach­ten mit den Säge­wer­ken, die frü­her in den wald­rei­chen Regio­nen von Vogels­berg und Rhön weit ver­brei­tet waren. Jedes­mal wur­de über gesäg­te Wett­bret­ter gere­det — nie über gespaltene.

Ein Nach­weis, dass Wett­bret­ter nie gespal­ten wur­den, ist das natür­lich nicht. Aller­dings deu­tet viel dar­auf hin, dass Wett­bret­ter eher gesägt wur­den. Zudem muss auch berück­sich­tigt wer­den, wel­che Holz­ar­ten über­haupt spalt­bar sind — und so kom­men wir zur nächs­ten Frage:

Buche? Geht gar nicht!

In schö­ner Regel­mäs­sig­keit taucht jemand auf, der behaup­tet, dass Buche im Aus­sen­be­reich gar nicht geht. Dut­zen­de Mal habe ich das gehört, immer im Brust­ton der Über­zeu­gung: „Das habe ich so gelernt!“

Buchen­wald zwi­schen Vogels­berg und Rhön

Glaubt man das, so haben die Men­schen in unse­rer Regi­on nicht nur in Sachen Holz kei­ne Ahnung — sie sind zudem lern­re­sis­tent: Auch heu­te noch kann man Wett­bret­ter von regio­na­len Her­stel­lern kau­fen — und fast immer sind sie aus Buchen­holz. Ein kla­rer Fall von Hin­ter­wäld­lern? Nicht mal im Ansatz, wür­de ich mei­nen! Viel­mehr hat man sich an den Ver­hält­nis­sen aus­ge­rich­tet und war — heu­te wür­de man viel­leicht sagen — Entrepeneur.

Hier in der Regi­on war die Buche frü­her weit ver­brei­tet. Was lag also näher, als sie nicht nur als Brenn‑, son­dern auch als Bau­holz zu ver­wen­den? Buche lässt sich gut spal­ten, und so wur­den Wett­bret­ter und Schin­deln gefer­tigt. Nun muss die Fra­ge beant­wor­tet wer­den, ob die dara­zus gebau­ten Wett­brett­wän­de denn funk­tio­niert haben oder bereits nach kur­zer Zeit ersetzt wer­den mussten.

Eine alte Scheu­ne in der Nähe von Flie­den: Die­se Wett­brett­wand ist grund­sätz­lich noch gut intakt,

Laut Aus­sa­ge man­cher Leu­te von der Exper­ten­bank kann eine bewit­ter­te Wand aus Buchen­holz nicht funk­tio­nie­ren. Es ist ja Buche — und damit klappt ein Wet­ter­schutz laut Schul­weis­heit nicht. Ein Blick auf die Rea­li­tät dürf­te für die­se Exper­ten chreck­lich sein: Es gibt Wett­brett­wän­de, die ohne erkenn­ba­re Pfle­ge bereits 80 Jah­re und mehr im Wind ste­hen — und immer noch vor­han­den sind. Ein­fach so. Gegen jede Lehrmeinung.

Eig­net sich Buche also viel­leicht doch als Wet­ter­schutz? Lie­gen die Vogels­ber­ger mög­li­cher­wei­se gar nicht so falsch mit ihrer Tra­di­ti­on, Buchen­holz vor ihre Fas­sa­den zu nageln? Es wäre inters­sant zu erfor­schen, was der Grund — und gege­be­nen­falls Moti­va­ti­on — ist, die der Buche die­se Fähig­kei­ten teil­wei­se bis heu­te absprechen.

Woher der Wind weht …

Wett­bret­ter haben Nut und Feder.

Wett­bret­ter haben Nut und Feder — jeden­falls im all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauch. Dass es sich eigent­lich um eine Ver­bin­dung mit­tels Nut und Spun­d² han­delt, wer­de ich aus eben die­sem Grund des all­ge­mei­nen Sprach­ge­brauchs ver­nach­läs­si­gen. Nut und Feder ken­nen schliess­lich alle — und sei es von den furcht­ba­ren Bau­markt­bret­tern, die man­che sich ger­ne unter die Wohn­zim­mer­de­cke basteln.

Eine Wett­brett­wand soll ein fes­ter, ja robus­ter Schutz gegen das Wet­ter sein. Dazu eig­nen sich Nut und Feder gut. War’s das schon? Nein! Schliess­lich muss die Ent­schei­dung getrof­fen wer­den, ob die Sei­te mit der Nut links oder rechts sein soll. Ist das egal?

An alten Wett­brett­wän­den kann man gut erken­nen, dass die Him­mels­rich­tung eine Rol­le dafür spiel­te, an wel­cher Sei­te die Nut ist. Der Grund ist das Wet­ter, genau­er: die vor­herr­schen­de Wind­rich­tung. So hat man frü­her die Aus­rich­tung der Bret­ter an einer Wand so gewählt, dass die Nut vom Wet­ter weg gesetzt wur­de. Der Grund ist ein­fach: Die­se Kon­struk­ti­on bot bes­se­ren Schutz gegen Schlag­re­gen. Wäre es anders her­um, so wür­de das Was­ser in die Nut hin­ein gerückt, was eine poten­ti­el­le Schwach­stel­le der Kon­struk­ti­on bedeutete.

Und heu­te? Wird das immer noch so gemacht, oder ist es einer der hand­werk­li­chen Berei­che, in denen das alte Wis­sen ver­lo­ren gegan­gen ist? Ein guter Hand­wer­ker wird die alte Regel ken­nen und sie auch heu­te noch befol­gen. Aller­dings konn­te ich von einem der weni­gen Wett­brett­her­stel­ler hören, dass es bei der Aus­rich­tung der Bret­ter eher dar­auf ankommt, ob der aus­füh­ren­de Hand­wer­ker Links- oder Rechts­hän­der ist.

In einer Zeit, in der es im Hand­werk häu­fig mehr auf Schnel­lig­keit als auf Qua­li­tät ankommt, ist die­ser Gedan­ke pas­send. Um eine Wett­brett­wand zusam­men zu bau­en, was muss man dafür schon wis­sen oder kön­nen, so wer­den vie­le den­ken. Es reicht doch schon aus, wenn sich ein aus­füh­ren­der Betrieb das Prä­di­kat „Fach­leu­te“ selbst ver­leiht — die Kun­den beru­higt das ungemein.

Die spä­ter mon­tier­ten Wett­bret­ter (im Foto der rech­te Teil sowie die obe­re Rei­he) wur­den genau anders­her­um befes­tigt. Der Grund hier­für war aber ver­mut­lich ledig­lich, dass es für den Hand­wer­ker prak­ti­scher war, mit den neu­en Bret­tern an die alten anzu­schlies­sen. Oder aber er war ein­fach nur Rechtshänder?

Die Anord­nung der Wett­bret­ter hat sich bei die­sem Gebäu­de geän­dert: links die alten, rechts neue­re Bretter.

Im rech­ten Bei­spiel­fo­to ist eine Haus­front abge­bil­det, die von Nord­ost nach Süd­west ver­läuft. Wir bli­cken in Rich­tung Süd­west, der Regen kommt also meist von dort (dem Betrach­ter entgegen).

Fol­ge­rich­tig wur­de der alte Wett­brett­be­reich (im Foto auf der lin­ken Sei­te über dem Scheu­nen­tor erkenn­bar) von rechts nach links mon­tiert (die Feder eines neu­en Bretts wird in die Nut des vor­her­ge­hen­den geklopft).

Es gibt aber tat­säch­lich eine Ent­wick­lung, die den Auf­bau einer Wett­brett­wand wie frü­her — Nut weg vom West­wind — dis­kus­si­ons­wür­dig macht: der Kli­ma­wan­del. Immer häu­fi­ger kann man lesen und hören, dass die in unse­ren Regio­nen vor­herr­schen­de West­wind­la­ge immer weni­ger anzu­tref­fen ist. Schlag­re­gen­be­las­te­te Häu­ser­seitren frü­her ein­fach zu loka­li­sie­ren — hört man auf Exper­ten aus dem Lehm­bau (hier ist der Wet­ter­schutz natür­lich immens wich­tig!), dann tre­ten immer mehr auch Belas­tun­gen und Schä­den an ande­ren Haus­sei­ten als der west­li­chen oder süd­west­li­chen auf.

„Industriell“ genormt oder wildwüchsig?

Gleich­mäs­sig brei­te Wett­bret­ter gab es frü­her nicht. Hät­te der Autor sich doch vor dem Bau sei­ner ers­ten Wett­brett­wand nur inten­si­ver mit dem The­ma beschäftigt!

Gleich­mäs­sig brei­te Wett­bret­ter gab es frü­her nicht. Hät­te der Autor sich doch vor dem Bau sei­ner ers­ten Wett­brett­wand nur inten­si­ver mit dem The­ma beschäf­tigt! Frü­her waren Wett­bret­ter wohl so gut wie immer unter­schied­lich breit. Heu­te gibt es eine Her­stel­lungs­me­tho­de, die jedes Brett in der Brei­te sozu­sa­gen nor­miert. Das ist pri­ma bei der Pla­nung — aber unnö­tig ste­ril für das Auge. Der Charme der Wett­brett­wän­de besteht eben auch dar­in, dass sie ein — wie sagt man Neu­deutsch — Eye-Cat­cher sind. Und das Auge wird mehr gefan­gen, wenn es etwas ent­de­cken kann — gut, dass es auch heu­te noch Her­stel­ler von in der Brei­te unter­schied­li­chen Wett­bret­tern gibt …

Wettbretter — ein Kulturgut

Zu Wett­bret­tern gibt es vie­le Aspek­te, die nicht offen­sicht­lich sind. Man hat sich bis­her nicht beson­ders mit die­ser Art des Wet­ter­schut­zes aus­ein­an­der­ge­setzt. Des­halb wer­den wir im Lau­fe des Pro­jekts ver­su­chen, mög­lichst vie­le Aspek­te auf­zu­grei­fen, sie ein­ge­hend zu betrach­ten — und letzt­lich The­sen auf­zu­stel­len oder gar Erklä­run­gen zu fin­den. Das war bis­her kein ein­fa­ches Unter­fan­gen und wir wer­den Hil­fe benötigen.

Wett­bret­ter (und die klei­nen Rund­schin­deln) haben unse­re Regi­on geprägt und sie prä­gen sie heu­te immer noch. Man muss aller­dings immer genau­er hin­schau­en, um sie zu fin­den. Wett­bret­ter sind eine regio­nal-typi­sche Erschei­nung, über die wir — so wie es heu­te aus­sieht — nicht viel Wis­sen. Es ist also nicht ganz ver­kehrt, hier­zu etwas zu forschen.

Wenn wir mit die­sem klei­nen Pro­jekt etwas für den Erhalt bestehen­der und den Bau neu­er Wett­brett­wän­de tun könn­ten, so wäre Eini­ges erreicht.


¹zu­letzt über­prüft am 2. Okto­ber 2019

²Nut und Spund oder Nut und Feder: nach­le­sen bei wikipedia.de

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Stand des Doku­ments: Sep­tem­ber 2019
Autor: Frank Jermann
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