Eine einfache Erklärung haben wir ja bereits grundsätzlich versucht: Ein Wettbrett ist ein keiliges Brett, zirka 80 cm lang (±20 cm) und hat Nut und Feder. Es wird als äussere Gebäudeverkleidung genutzt und dient als Schutz. Was ist daran kompliziert? Ist doch alles klar, oder?
Nun, ich will an dieser Stelle ein paar Gedanken Raum geben und Fragen aufwerfen, die zeigen werden, dass Wettbretter mehr sind als ein paar Holzlatten an der Wand.
Gespalten oder gesägt?
Heute werden Wettbretter wohl ausschliesslich gesägt. Manchmal kann man die Aussage finden, dass sie früher gespalten wurden. Gibt oder gab es bei der Herstellung von Wettbrettern tatsächlich verschiedene Mehoden?
Wurden Wettbretter früher gespalten? Die Sägespuren dieser vermutlich ausgetauschten Bretter sind gut erkennbar.
Das mit dem Sägen ist eindeutig: Die Sägespuren sind auch an alten Wettbrettern manchmal gut erkennbar. Alle neuen Wettbretter, die ich bisher gekauft habe, waren gesägt. Aber gespalten? Kann man Bretter mit einer Länge von einem Meter spalten? Bis heute habe ich weder Werkzeuge gesehen oder eine Beschreibung der Methode gefunden. Ein Betrieb, der gespaltene Wettbretter herstellt, ist mir nicht bekannt.
Was bei kurzen Rundschindeln (die es in vielerlei Ausführungen gibt, also nicht nur rund sondern auch eckig und fast ornamental anmutend) leicht nachvollziehbar ist, kann das auf die langen Wettbretter übertragen werden? Die Rundschindeln wurden früher in der dunklen Jahreszeit in vielen Haushalten in Heimarbeit hergestellt. Das Vorgehen war einfach: Der Mutige hielt den Spaltkeil auf das zurechtgesägte Holzstück, der wenig Zaudernde schlug mit dem Hammer auf den Keil — fertig war die gespaltene Rundschindel. Auch heute noch wird das manchmal praktiziert. Wie häufig es dabei zu Verletzungen kam, ist unbekannt.
Ein solches Verfahren ist für Wettbretter kaum vorstellbar. Wenn tatsächlich gespalten wurde, dann muss das mit „grossem Besteck“ erfolgt sein.Schaut man sich die Ergebnisse der heute gängigen Spaltmaschinen an, dann ist es kaum vorstellbar, dass man früher die Werkzeuge hatte, um tatsächlich keilige Bretter mittels einer Spaltmethode herzustellen.
Dazu kommt, dass bisher alle älteren Menschen, die etwas zu dem Thema wussten, Wettbretter immer in Verbindung brachten mit den Sägewerken, die früher in den waldreichen Regionen von Vogelsberg und Rhön weit verbreitet waren. Jedesmal wurde über gesägte Wettbretter geredet — nie über gespaltene.
Ein Nachweis, dass Wettbretter nie gespalten wurden, ist das natürlich nicht. Allerdings deutet viel darauf hin, dass Wettbretter eher gesägt wurden. Zudem muss auch berücksichtigt werden, welche Holzarten überhaupt spaltbar sind — und so kommen wir zur nächsten Frage:
Buche? Geht gar nicht!
In schöner Regelmässigkeit taucht jemand auf, der behauptet, dass Buche im Aussenbereich gar nicht geht. Dutzende Mal habe ich das gehört, immer im Brustton der Überzeugung: „Das habe ich so gelernt!“
Glaubt man das, so haben die Menschen in unserer Region nicht nur in Sachen Holz keine Ahnung — sie sind zudem lernresistent: Auch heute noch kann man Wettbretter von regionalen Herstellern kaufen — und fast immer sind sie aus Buchenholz. Ein klarer Fall von Hinterwäldlern? Nicht mal im Ansatz, würde ich meinen! Vielmehr hat man sich an den Verhältnissen ausgerichtet und war — heute würde man vielleicht sagen — Entrepeneur.
Hier in der Region war die Buche früher weit verbreitet. Was lag also näher, als sie nicht nur als Brenn‑, sondern auch als Bauholz zu verwenden? Buche lässt sich gut spalten, und so wurden Wettbretter und Schindeln gefertigt. Nun muss die Frage beantwortet werden, ob die darazus gebauten Wettbrettwände denn funktioniert haben oder bereits nach kurzer Zeit ersetzt werden mussten.
Eine alte Scheune in der Nähe von Flieden: Diese Wettbrettwand ist grundsätzlich noch gut intakt,
Laut Aussage mancher Leute von der Expertenbank kann eine bewitterte Wand aus Buchenholz nicht funktionieren. Es ist ja Buche — und damit klappt ein Wetterschutz laut Schulweisheit nicht. Ein Blick auf die Realität dürfte für diese Experten chrecklich sein: Es gibt Wettbrettwände, die ohne erkennbare Pflege bereits 80 Jahre und mehr im Wind stehen — und immer noch vorhanden sind. Einfach so. Gegen jede Lehrmeinung.
Eignet sich Buche also vielleicht doch als Wetterschutz? Liegen die Vogelsberger möglicherweise gar nicht so falsch mit ihrer Tradition, Buchenholz vor ihre Fassaden zu nageln? Es wäre interssant zu erforschen, was der Grund — und gegebenenfalls Motivation — ist, die der Buche diese Fähigkeiten teilweise bis heute absprechen.
Woher der Wind weht …
Wettbretter haben Nut und Feder — jedenfalls im allgemeinen Sprachgebrauch. Dass es sich eigentlich um eine Verbindung mittels Nut und Spund² handelt, werde ich aus eben diesem Grund des allgemeinen Sprachgebrauchs vernachlässigen. Nut und Feder kennen schliesslich alle — und sei es von den furchtbaren Baumarktbrettern, die manche sich gerne unter die Wohnzimmerdecke basteln.
Eine Wettbrettwand soll ein fester, ja robuster Schutz gegen das Wetter sein. Dazu eignen sich Nut und Feder gut. War’s das schon? Nein! Schliesslich muss die Entscheidung getroffen werden, ob die Seite mit der Nut links oder rechts sein soll. Ist das egal?
An alten Wettbrettwänden kann man gut erkennen, dass die Himmelsrichtung eine Rolle dafür spielte, an welcher Seite die Nut ist. Der Grund ist das Wetter, genauer: die vorherrschende Windrichtung. So hat man früher die Ausrichtung der Bretter an einer Wand so gewählt, dass die Nut vom Wetter weg gesetzt wurde. Der Grund ist einfach: Diese Konstruktion bot besseren Schutz gegen Schlagregen. Wäre es anders herum, so würde das Wasser in die Nut hinein gerückt, was eine potentielle Schwachstelle der Konstruktion bedeutete.
Und heute? Wird das immer noch so gemacht, oder ist es einer der handwerklichen Bereiche, in denen das alte Wissen verloren gegangen ist? Ein guter Handwerker wird die alte Regel kennen und sie auch heute noch befolgen. Allerdings konnte ich von einem der wenigen Wettbretthersteller hören, dass es bei der Ausrichtung der Bretter eher darauf ankommt, ob der ausführende Handwerker Links- oder Rechtshänder ist.
In einer Zeit, in der es im Handwerk häufig mehr auf Schnelligkeit als auf Qualität ankommt, ist dieser Gedanke passend. Um eine Wettbrettwand zusammen zu bauen, was muss man dafür schon wissen oder können, so werden viele denken. Es reicht doch schon aus, wenn sich ein ausführender Betrieb das Prädikat „Fachleute“ selbst verleiht — die Kunden beruhigt das ungemein.
Die später montierten Wettbretter (im Foto der rechte Teil sowie die obere Reihe) wurden genau andersherum befestigt. Der Grund hierfür war aber vermutlich lediglich, dass es für den Handwerker praktischer war, mit den neuen Brettern an die alten anzuschliessen. Oder aber er war einfach nur Rechtshänder?
Die Anordnung der Wettbretter hat sich bei diesem Gebäude geändert: links die alten, rechts neuere Bretter.
Im rechten Beispielfoto ist eine Hausfront abgebildet, die von Nordost nach Südwest verläuft. Wir blicken in Richtung Südwest, der Regen kommt also meist von dort (dem Betrachter entgegen).
Folgerichtig wurde der alte Wettbrettbereich (im Foto auf der linken Seite über dem Scheunentor erkennbar) von rechts nach links montiert (die Feder eines neuen Bretts wird in die Nut des vorhergehenden geklopft).
Es gibt aber tatsächlich eine Entwicklung, die den Aufbau einer Wettbrettwand wie früher — Nut weg vom Westwind — diskussionswürdig macht: der Klimawandel. Immer häufiger kann man lesen und hören, dass die in unseren Regionen vorherrschende Westwindlage immer weniger anzutreffen ist. Schlagregenbelastete Häuserseitren früher einfach zu lokalisieren — hört man auf Experten aus dem Lehmbau (hier ist der Wetterschutz natürlich immens wichtig!), dann treten immer mehr auch Belastungen und Schäden an anderen Hausseiten als der westlichen oder südwestlichen auf.
„Industriell“ genormt oder wildwüchsig?
Gleichmässig breite Wettbretter gab es früher nicht. Hätte der Autor sich doch vor dem Bau seiner ersten Wettbrettwand nur intensiver mit dem Thema beschäftigt!
Gleichmässig breite Wettbretter gab es früher nicht. Hätte der Autor sich doch vor dem Bau seiner ersten Wettbrettwand nur intensiver mit dem Thema beschäftigt! Früher waren Wettbretter wohl so gut wie immer unterschiedlich breit. Heute gibt es eine Herstellungsmethode, die jedes Brett in der Breite sozusagen normiert. Das ist prima bei der Planung — aber unnötig steril für das Auge. Der Charme der Wettbrettwände besteht eben auch darin, dass sie ein — wie sagt man Neudeutsch — Eye-Catcher sind. Und das Auge wird mehr gefangen, wenn es etwas entdecken kann — gut, dass es auch heute noch Hersteller von in der Breite unterschiedlichen Wettbrettern gibt …
Wettbretter — ein Kulturgut
Zu Wettbrettern gibt es viele Aspekte, die nicht offensichtlich sind. Man hat sich bisher nicht besonders mit dieser Art des Wetterschutzes auseinandergesetzt. Deshalb werden wir im Laufe des Projekts versuchen, möglichst viele Aspekte aufzugreifen, sie eingehend zu betrachten — und letztlich Thesen aufzustellen oder gar Erklärungen zu finden. Das war bisher kein einfaches Unterfangen und wir werden Hilfe benötigen.
Wettbretter (und die kleinen Rundschindeln) haben unsere Region geprägt und sie prägen sie heute immer noch. Man muss allerdings immer genauer hinschauen, um sie zu finden. Wettbretter sind eine regional-typische Erscheinung, über die wir — so wie es heute aussieht — nicht viel Wissen. Es ist also nicht ganz verkehrt, hierzu etwas zu forschen.
Wenn wir mit diesem kleinen Projekt etwas für den Erhalt bestehender und den Bau neuer Wettbrettwände tun könnten, so wäre Einiges erreicht.
¹zuletzt überprüft am 2. Oktober 2019
²Nut und Spund oder Nut und Feder: nachlesen bei wikipedia.de
Autor: Frank Jermann